degewo Zukunftshaus, eine Sanierung für die CO2-neutrale Zukunft
Das degewo Zukunftshaus ist ein gutes Beispiel, dafür wie sich Energiekonzepte für Gebäude heute verändern. Zunehmend geht es nicht nur um die Reduzierung des Energiebedarfs, sondern auch darum den verbleibenden Bedarf an Energie möglichst mit erneuerbaren Energien zu decken – bei Wärme, Strom und wo möglich auch bei der Mobilität. Abgesehen vom letzten Punkt scheint es bei diesem Beispiel auch gut gelungen zu sein. Die neuen Mieterinnen und Mieter können den Strom vom Dach, bzw. der Fassade beziehen. Und die Wärme erhalten sie direkt über die Hybridkollektoren vom Dach oder über eine Wärmepumpe und dem Erdspeicher neben dem Haus. Vor zwei Wochen hatte ich die Gelegenheit dieses Haus zu besichtigen und mich ausführlich über das Energiekonzept zu informieren.
Inhalt
Die Idee hinter dem degewo Zukunftshaus
Das Mehrfamilienhaus aus den 1950er Jahren in Berlin-Lankwitz wurde innerhalb von 16 Monaten komplett saniert. Ab Juni ziehen wieder die ersten Mieter ein. Fast alles hat sich in dieser Zeit verändert. Das Haus ist kaum wieder zu erkennen, wie der Blick auf das baugleiche Nachbarhaus zeigt. Rein äußerlich ist das Haus attraktiv und wirkt hochmodern. Auch innen hat sich bei den Wohnungen einiges verändert. Die Bäder sind etwas größer geworden, da jetzt auch Waschbecken eingebaut wurden. Und die Heizkörper sind verschwunden, dazu später aber mehr beim Energiekonzept.
Die Idee für das Zukunftshaus kommt vom Vorstand der degewo und entstand bei einer Vorstands-Klausurtagung in 2012. Das Ziel war ein Modell zu schaffen für das Energie-Szenario 2050 – mit einem CO2-neutralen Berlin. Damit war klar, man muss weit über den üblichen energetischen Sanierungen hinaus gehen. Sonst wird die Fassade gedämmt, werden Fenster getauscht und die Stränge saniert. Für das Klimaziel reichen diese Sanierungen nicht mehr aus. In einer CO2-neutralen Stadt benötigen wir Häuser, die sich weitgehend selbst mit Wärme und Strom versorgen. Das degewo Zukunftshaus schafft dieses Ziel mit heute verfügbarer Technik – zu moderaten Warmmieten zwischen zehn und elf Euro je Quadratmeter Wohnfläche.
Die Gebäudehülle beim degewo Zukunftshaus
An hochgedämmten Gebäudehüllen wird künftig kein Weg mehr vorbei führen. Die Frage ist immer nur wo die Grenzen liegen und wo mehr Dämmung nichts mehr bringt. Beim degewo Zukunftshaus hat man eine bereits vorhanden Außendämmung von 9 cm Dicke mit einer zusätzlichen 12 cm Dämmschicht verstärkt. Über die Dicke der zusätzlichen Dämmung auf dem Dach und im Keller ist nichts bekannt.
Beim Austausch der Fenster hat man die heute übliche 3-fach Verglasung eingesetzt. Durch die dickere Außenwand mussten auch die Fenster weiter nach vorne eingesetzt werden, um den Schießscharten-Effekt zu vermeiden.
Als weitere Maßnahme wurden die vorhandenen Balkone abgesägt und entfernt. Die neuen Balkone hat man dann vor die Fassade gesetzt, damit sie thermisch vom Gebäude getrennt sind.
Haustechnik im degewo Zukunftshaus
Interessant wird das degewo Zukunftshaus erst durch die Haustechnik. Diese besteht aus verschiedenen Komponenten, die alle dazu beitragen das Ziel der weitgehenden Selbstversorgung zu erreichen:
- Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und auf der Fassade
- Photovoltaik-Solarthermie Hybridanlage auf dem Dach
- Stromspeicherung in einer modernen Redoxflow-Batterie
- Wärmespeicherung im Erdtank eTank
- Flächenheizung in den Decken der Wohnungen
- wohnungsweise hocheffiziente Wohnungslüftung
Photovoltaik.Anlage
Geplant war eine Leistung der PV-Module und der Solar-Hybridkollektoren von insgesamt 104,7 kWp. Doch seit Anfang 2016 müssen Betreiber von Anlagen mit mehr als 100 kWp Leistung ihren Strom direkt vermarkten. Dies hätte jedoch, nach Angaben der degewo netzWerk GmbH das Angebot des Stroms für den Mieterstrom erschwert. Daher sind jetzt nur 99,9 kWp elektrischer Leistung installiert.
Wie auch bei der Solarwärme gilt beim Solarstrom das Prinzip „Verbrauch vor Speicherung“. Dies bedeutet, dass der Strom zuerst genutzt wird für den Allgemeinstrom im Haus, für die Wärmepumpen, für die Wohnungslüftung und für den Mieterstrom. Zusätzlich erzeugter Strom wird gespeichert und erst wenn der Speicher voll ist, wird der Strom in das Netz eingespeist.
Solar-Hybridkollektoren
Ungewöhnlich ist die Nutzung von Solar-Hybridkollektoren. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die Module zur Stromerzeugung gekühlt werden. Damit erhöht sich die elektrische Leistung um bis zu zehn Prozent. Der geringere Wirkungsgrad für die Solarwärme als bei üblichen Kollektoren stellt kein Problem dar, da im Heizkreislauf mit geringen Temperaturen gerarbeitet wird. Darüber hinaus kann die vorhandene Fläche optimal genutzt werden für die Strom- und Wärmeerzeugung.
Redoxflow-Batterie
Für Stromspeicher sind heute eigentlich Lithium-Ionen Batterien Standard. In diesem Haus wird ein Speichersystem mit der Vanadium-Redox-Flow Technologie eingesetzt. Zu den Vorteilen dieser Technologie gehören die hohe Sicherheit, die praktisch unbegrenzte Zahl an Zyklen, problemlose Tiefentladung und die hohe Energiedichte. Hier steht ein CellCube-Speicher von Gildemeister energy solutions neben dem Haus.
Wärmespeicher eTank
Das große Problem der Nutzung von solarer Wärme aus dem Sommer und der Übergangszeit im Winter ist die Speicherung. Dieses Problem löst der eTank im degewo Zukunftshaus, ein Erdspeicher neben dem Gebäude. Der eTank speichert die nicht direkt nutzbare Wärme im Bereich zwischen 3°C und 23°C. Bei Bedarf wird diese Wärme als Quelle für Wärmepumpen verwendet. Im Keller steht eine Wärmepumpe für das Trinkwasser und eine für die Heizung, beide von Stiebel-Eltron. Der Heizkreislauf arbeitet mit sehr geringen Vorlauftemperaturen von 33°C. Damit können die üblichen Radiator-Heizkörper entfallen und stattdessen wurde eine Deckenstrahlungsheizung eingebaut. Durch diese Kombination erhöht die Effizienz des Heizsystems, sprich die Jahresarbeitszahl (JAZ) der Wärmepumpen.
Mieterstrom
Neben der Nutzung des Solarstroms für den Allgemeinstrom im Haus und für die Wärmepumpen, wird dieser Strom künftig den Mietern angeboten. Dafür wird der Strom, der nicht für die Wärmeerzeugung genutzt wird, an den Partner BTB GmbH verkauft. Die BTB GmbH verkauft Strom für die Haustechnik an die Immobiliengesellschaft und verbleibenden Strom an interessierte Mieter. Die Mieterinnen und Mieter können natürlich ihren Stromanbieter weiter frei wählen. Wer sich für den Strom aus dem Haus entscheidet, erhält einen Smart-Meter von Discovergy um den Stromverbrauch transparent im Blick zu haben.
Monitoring
Da das Projekt sehr neu ist in seiner Art, wird es von der HTW Berlin messtechnisch über 24 Monate begleitet. Mit dem Monitoring werden verschiedene Parameter erfasst und der Nachweis der Funktion des Energiekonzeptes geprüft. In einzelnen Wohnungen werden verschiedene Temperaturen und thermische Komfortparameter erfasst, bei Zustimmung der Mieter.
Kommentar zum degewo Zukunftshaus
Dieses Projekt, das degewo Zukunftshaus, zeigt in die richtige Richtung der Energiewende. Strom und Wärme vor Ort erzeugen und verbrauchen, bei erträglichen Kosten für die Mieter. Die degewo, nach eigenen Angaben Berlins führendes Wohnungsbauunternehmen, hat für dieses Projekt nur die übliche KfW-Förderung für die Sanierung zum Effizienzhaus 55 (KfW-Programm 151) in Anspruch genommen, plus die entsprechende Baubegleitung (KfW-Programm 431). Dieses Projekt zeigt damit einen Weg in die Zukunft des Bauens und Sanierens.
Allerdings kann der große Aufwand, der dazu notwendig war, nicht bei jedem Haus umgesetzt werden. Auch das Energiekonzept lässt sich nur so umsetzen, wenn die gleichen Voraussetzungen vorhanden sind. So wird z.B. für den eTank bei Sanierungen Platz neben dem Gebäude benötigt. Der finanzielle Aufwand war zudem deutlich höher als bei üblichen Sanierungen, lässt sich vermutlich daher auch nicht immer umsetzen.
Das Projekt ist sehr wichtig und ich bin auf die Erfahrungen gespannt, wie auch auf weitere Projekte die nachfolgen werden.
Mein Dank geht noch zum Abschluss an die Redaktion der Zeitschrift „immobilien vermieten & verwalten“ für die Einladung zur Besichtigung und zu den anschließenden Vorträgen. Hier ist der Bericht der ivv zu der Immobilien-Exkursion.