Energiegemeinschaften für Privathaushalte in Deutschland
In Zusammenarbeit mit der neoom AG
Warum kann ich den Strom, den meine Photovoltaikanlage erzeugt, nicht meinen Nachbarn verkaufen? Dürfen die Nachbarn ihr Elektroauto an meiner Wallbox laden? Solche Fragen tauchen häufig in Gesprächen mit Besitzern von Photovoltaikanlagen auf. Hier muss man häufig noch auf die deutsche Bürokratie mit ihren Abgaben oder Steuern verweisen.
Dabei könnte es viel einfacher sein, wenn eine Nachbarschaft den selbst erzeugten Strom auch vor Ort gemeinsam verbrauchen könnte. In dem Modell der „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ wird diese Idee für mehr Akzeptanz und Teilhabe aufgegriffen.
In diesem Artikel zeige ich, wie diese Energiegemeinschaften funktionieren, warum sie für die Energiewende wichtig sind und wo aktuell die Herausforderungen liegen.
Inhalt
- Was sind erneuerbare Energiegemeinschaften?
- Warum sind Energiegemeinschaften wichtig?
- Welche Herausforderungen gibt es für die Gründung einer Energiegeme inschaft in Deutschland?
- Was muss passieren, damit Energiegemeinschaften für Haushalte in Deutschland möglich werden?
- Energiekonzept Energiegemeinschaft: Kann das funktionieren?
- Fazit
Was sind erneuerbare Energiegemeinschaften?
Bürgerinnen und Bürger können sich in Deutschland zu Energiegenossenschaften zusammenschließen und zum Beispiel gemeinsam in Anlagen für die Stromerzeugung investieren. Diesen Strom können sie bislang aber nur in das Netz einspeisen. Da sich die Bedingungen für die Einspeisevergütung verschlechtert haben, lohnt sich dieses Modell kaum noch.
In den Anfangsjahren der Energiewende haben die Energiegenossenschaften den Ausbau von Solar- und Windenergie maßgeblich geprägt. Energiegemeinschaften gehen noch einen Schritt weiter und könnten das Erfolgsmodell fortsetzen.
Innerhalb von Energiegemeinschaften sollen die Bürgerinnen und Bürger Strom und Wärme gemeinsam erzeugen, speichern, handeln und nutzen – daher wird oft der Begriff „Energy Sharing“ verwendet. Lokale Märkte für Energie können effizienter und persönlicher sein als der allgemeine Energiemarkt. Sie bleiben aber weiter mit der allgemeinen Energieversorgung verbunden.
Die Europäische Union hat die Energiegemeinschaften in der Erneuerbare Energien Richtlinie Artikel 22 von 2018 (RED II) eingeführt. Demnach sollen sich Endkunden und insbesondere Haushalte an Erneuerbare Energiegemeinschaften beteiligen dürfen und gemeinschaftlich Energie produzieren, verbrauchen, speichern und verkaufen. Dazu gehört auch der Abschluss von Verträgen über den Bezug von Strom. Energiegemeinschaften sollen direkt und über Dienstleister diskriminierungsfreien Zugang zu allen Energiemärkten erhalten. Die EU-Mitgliedstaaten haben die Aufgabe, einen Regulierungsrahmen zu schaffen, der die Energiegemeinschaften unterstützt.
Weitere Vorgaben macht die Europäische Union in ihrer Richtlinie für den Elektrizitätsbinnenmarkt von 2022. Dort legt sie in Artikel 16 fest, was die Mitgliedstaaten in ihrer Regulierung vorsehen sollen und was sie vorschreiben können.
Warum sind Energiegemeinschaften wichtig?
Energiegemeinschaften sind eine Fortschreibung des Gedankens der Energiewende in den Händen der Bürgerinnen und Bürger, die in den Energiegenossenschaften ihren Anfang nahm. Sie können damit einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten und für Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen.
Die Argumente für eine Energiegemeinschaft stellen zusätzliche Anreize für den lokalen Ausbau der erneuerbaren Energien dar und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.
Bisher können in Deutschland nur diejenigen Stromkosten sparen und sich an der Energiewende beteiligen, die eine eigene Erzeugungsanlage besitzen. An Energiegemeinschaften können sich hingegen alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen und lokal erzeugte, klimafreundliche Energie beziehen. Wer Strom selbst produziert, kann in der Energiegemeinschaft Strom zu festen Preisen verkaufen. Damit stabilisieren sich die Strompreise innerhalb der Energiegemeinschaft und schützen vor Preisschwankungen am Energiemarkt.
Private Haushalte machen sich innerhalb einer Energiegemeinschaft unabhängiger von großen Energieversorgern und Netzbetreibern. Durch den Einsatz von lokalen Stromspeichern sichern sie die Versorgung mit erneuerbaren Energien.
Energiegemeinschaften mit einem Stromhandel vor Ort reduzieren die Notwendigkeit zum Ausbau der Stromnetze und damit die Investitionskosten. Ein intelligentes Management von lokalen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern kann die Netze entlasten.
Forscherinnen und Forscher des Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) haben in einer Potenzialanalyse den volkswirtschaftlichen Nutzen und die Kosteneffekte für Haushalte ermittelt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass 90 Prozent aller Haushalte in Deutschland mit vergünstigtem Strom durch Energy Sharing versorgt werden können. Die Analyse zeigt auch, dass verbrauchernahe Energieerzeugung die Stromnetze entlasten kann. Dieses Konzept bietet zudem einen wichtigen Baustein für eine selbstbestimmte Energieversorgung mit mehr Teilhabe durch Bürgerinnen und Bürger.
Welche Herausforderungen gibt es für die Gründung einer Energiegeme inschaft in Deutschland?
Es gibt also viele gute Gründe für eine Energiegemeinschaft. Wie sieht es in Deutschland mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht aus? Auch wenn sich Deutschland in der Eigenwahrnehmung als Vorreiter sieht, ist in diesem Bereich noch nichts passiert. Eine Frist zur Umsetzung ist 2021 verstrichen und weder das EEG noch ein anderes Energiegesetz enthalten entsprechende Regelungen. Der Bundestag hat die Bundesregierung 2022 dazu aufgefordert, entsprechende Vorschläge für einen Rechtsrahmen zu erarbeiten.
Außerhalb neuer Regelungen bestehen bislang hohe bürokratische Hemmnisse, zum Beispiel beim kollektiven Eigenverbrauch, Stichwort Mieterstrom. Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, zum Beispiel für den Stromhandel zwischen Nachbarn, sind noch schwierig oder nicht umsetzbar.
Ein weiteres Hindernis für Energiegemeinschaften in Deutschland ist der mangelnde Fortschritt in der Digitalisierung der Energieversorgung. Für eine genaue Abrechnung von verkaufter und eingekaufter Energie brauchen die Haushalte Smart-Meter. Diese sind bisher kaum verbreitet. Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende ist immerhin ein wichtiger Schritt für einen beschleunigten Ausbau der intelligenten Stromzähler.
Was muss passieren, damit Energiegemeinschaften für Haushalte in Deutschland möglich werden?
Es fehlt vor allem an einem gesetzlichen Rahmen, der die Gründung und den Betrieb der Energiegemeinschaften in Deutschland ermöglicht. Dieser muss einige wichtige Fragen klären:
- Rechtsform der Energiegemeinschaft, zum Beispiel Verein oder Genossenschaft, Energiegemeinschaften werden ehrenamtlich betrieben und sind nicht gewinnorientiert
- Aufgabenverteilung in der Versorgung mit Rechten und Pflichten außerhalb des Wettbewerbs mit Energieversorgern
- Absenkung der Hürden für einfachen Einstieg
- Schutz der Kunden, die weiterhin Energieversorger für die Reststromversorgung benötigen
- Freie Auswahl der Netzebene (Niederspannung oder Mittelspannung)
- Einbindung von Gewerbe mit eigener Stromerzeugung
- Möglichkeiten zur Sektorenkopplung mit Wärme- und Mobilitätsbereich
Energiegemeinschaften sollten finanzielle Anreize oder eine entsprechende Förderung erhalten, damit sich eine Beteiligung und der Stromverbrauch vor Ort lohnen. Das kann über tarifliche Anreize, einen Bonus oder reduzierte Steuern erfolgen.
Hilfreich für die Gründung der Energiegemeinschaften wäre eine deutschlandweite Koordinationsstelle. Diese kümmert sich um den Aufbau von Wissen, Erfahrungsaustausch und Informationsmaterial. Sie unterstützt und fördert Initiatoren und Dienstleister. Gleichzeitig fungiert sie als Schnittstelle zu Politik, Netzbetreibern und koordiniert den Datenaustausch. Erfahrungen aus Österreich zeigen, dass dezentrale Beratungsstellen in den einzelnen Bundesländern sinnvoll sind.
Energiekonzept Energiegemeinschaft: Kann das funktionieren?
Wie Energiegemeinschaften funktionieren können, sehen wir beim Blick nach Österreich. Dort gibt es die Modelle der lokal beschränkten Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) und der innerhalb Österreichs geografisch unbeschränkten Bürgerenergiegemeinschaft (BEG). Darin können sich Personen zusammenschließen und über Grundstücksgrenzen hinweg Energie produzieren, speichern, verbrauchen und verkaufen. Energiegemeinschaften bestehen aus mindestens zwei Mitgliedern beziehungsweise Gesellschaftern.
Unterstützung erhalten die Energiegemeinschaften in Österreich durch die Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften, die vom Energie- und Klimafonds betrieben wird. Sie soll das Modell optimieren und Hilfestellung bei der Gründung von Energiegemeinschaften geben.
Beispiel Gemeinde Freistadt
Die Gemeinde Freistadt in Oberösterreich hat das Ziel, sich bis 2030 vollständig mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Um das zu verwirklichen, hat sie eine Erneuerbare Energiegemeinschaft (EEG) gegründet, der alle Bürger und Unternehmen beitreten können.
Diverse Schulen und Hallen der Gemeinde wurden mit Photovoltaikanlagen und Stromspeichern ausgestattet. Die Speicher speichern den Strom, der nicht vor Ort verbraucht wird. Der Betrieb der Anlagen erfolgt in einem Contractingmodell durch die neoom AG.
Wer selber Strom erzeugt, kann diesen innerhalb der Gemeinschaft teilen. Dadurch erzielen sie höhere Einnahmen als durch die Einspeisung ins öffentliche Netz.
Ein Energiemanagement der neoom AG bindet alle Anlagen ein und optimiert die Prozesse innerhalb der Gemeinschaft.
Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde können Kunde der Energiegemeinschaft werden und günstig lokalen und klimafreundlichen Strom beziehen.
Mit 700.000 kWh Strom im Jahr erreicht die Gemeinde einen Autarkiegrad von knapp 80 Prozent und spart 50 Tonnen CO2 im Jahr. Die Gemeinde erhält die Erträge aus der Stromerzeugung und kann die Überschüsse für andere Projekte verwenden.
Beispiel neoom KLUUB
Wer keine Energiegemeinschaft vor Ort hat, kann in Österreich beispielsweise über den KLUUB in der neoom APP einer Energiegemeinschaft beitreten. So kann man den Strom der eigenen PV-Anlage einspeisen und/oder sich mit 100 Prozent Ökostrom aus der Region versorgen.
Der Handel der Mitglieder untereinander wird von neoom organisiert, die KLUB-App verbindet die Mitglieder mit Gleichgesinnten aus der Region. Die Mitglieder können den produzierten Strom von anderen Mitgliedern kaufen oder den selbst erzeugten Strom an andere Mitglieder verkaufen.
Fazit
Energiegemeinschaften haben großes Potenzial, Bürgerinnen und Bürger in die Energiewende einzubeziehen. Neben dem gemeinschaftlichen Betrieb von Anlagen und Speichern ermöglichen sie den Handel von Strom.
Durch Energiegemeinschaften könnte eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle entstehen. Ein weit größerer Anteil der Haushalte könnte von geringeren und vor allem stabilen Strompreisen profitieren. Das würde die Energiewende mit einem marktwirtschaftlichen Ansatz unterstützen.
Doch in Deutschland hängt alles von der Umsetzung der EU Erneuerbare Energien Richtlinie in nationales Recht ab. Diese steht immer noch aus, nachdem die Frist 2021 lange verstrichen ist und auch der Aufforderung seitens des Bundestags noch nicht nachgekommen wurde.
Österreich macht vor, wie es gehen kann. Dort ist ein Handel von Strom zwischen Nachbarn oder innerhalb eines Ortes möglich. Eine Koordinierungsstelle unterstützt Bürgerinnen und Bürger bei der Gründung von Energiegemeinschaften. Wann wird das auch in Deutschland möglich sein?